Mastzellentumor beim Hund
Die Vorläufer von Mastzellen stammen aus dem Knochenmark. Von dort wandern sie in das Gewebe ein und reifen zu sogenannten Gewebsmastzellen heran. Sie enthalten typische Einschlüsse, die basophile Mastzellgranula. In dieser Granula sind verschiedene bioaktive Wirkstoffe gespeichert, die der Abwehr von Krankheitserregern, der Anlockung anderer Abwehrzellen und dem Gleichgewicht in der Blutgerinnung dienen. Allerdings nehmen Mastzellen auch eine zentrale Rolle bei der Entstehung von allergischen Reaktionen ein. Dadurch stellen sie einen wichtigen Anteil bei der Initiierung von Immunreaktionen dar.
Die bösartige Entartung und erhebliche Vermehrung von Mastzellen wird Mastzelltumor oder Mastzellsarkom genannt. Der Mastzelltumor stellt sich alsder häufigste Hauttumor bei Hunden mit 16% bis 21% aller Hauttumore und als zweithäufigster Hauttumor bei Katzen mit 20% in den USA und 8% in Großbritannien. Der Mechanismus der Entstehung dieserVeränderungen ist noch weitgehend unbekannt. Es wird ein Zusammenhang mit chronischen Entzündungen vermutet. Die Mehrheit der Mastzelltumore tritt in der Haut und in der Unterhaut auf. 70% der Mastzelltumore finden sich im Kopf- oder Rumpfbereich. Sie haben allerdings eine große Bandbreite bezogen auf das klinische Erscheinungsbild und werden deshalb auch mit nichtbösartigen Veränderungen verwechselt, z.B. mit einem gutartigen Fettgeschwulst (Lipom). Gut differenzierte Mastzelltumore sind kleine, langsam wachsende Tumore. Undifferenzierte Mastzelltumore hingegen wachsen schnell und entzündlich und bilden kleine Knötchen um den Ursprungstumor. Setzt ein Mastzelltumor seine Inhaltsstoffe frei (Degranulation) kommt es zu Rötungen und Quaddelbildung im umgebenden Gewebe. Durch mechanische Beanspruchung des Tumors, z.B. bei einer Tumoroperation, kann eine große Menge an Inhaltsstoffen der Mastzellen freigesetzt werden und einen lebensbedrohlichen Zustand beim Patienten hervorrufen inklusive Gerinnungsstörungen und der schwersten Form einer allergischen Reaktion, dem anaphylaktischen Schock. Deshalb müssen während bei einer Operation auf jeden Fall Antihistaminika verabreicht werden. Systemische Erkrankungen mit Mastzelltumoren werden oft als Mastozytose bezeichnet.
Mastzelltumore beim Hund
[view:fallbeispiele=block_1=2352]Mastzelltumore treten bevorzugt bei älteren – mit einem Erkrankungsalters-Höhepunkt zwischen 6 und 8 Jahren – Hunden auf. Einige Rassen scheinen eine Veranlagung für die Bildung von Mastzelltumoren zu haben, was wiederum eine genetische Ursache nahelegt. Vor Allem Rassen, die mit Bulldoggen nahe verwandt sind, wie Boxer, Bostonterrier, Englische Bulldogge und Mops, aber auch andere Rassen wie Labrador, Golden Retriever, Cockerspaniel, Schnauzer, Staffordshire Terrier, Beagle, Rhodesian Ridgebacks, Weimaraner und Shar-Peis sind bevorzugt betroffen. In einer österreichischen Studie fand man zusätzlich den Berner Sennenhund als eine häufiger anzutreffende Rasse . Weiter fand sich in dieser Untersuchung ein deutlich erhöhtes Risiko für den Dogo Argentino, Tibet Spaniel, Pyrenäenberghund, Beauceron und die Österreichische glatthaarige Bracke. Mastzelltumore können gutartig sein, vor Allem beim Mops. Es gibt keine Geschlechtsdisposition, männliche wie weibliche Tiere sind also ähnlich häufig betroffen. Bei jungen Hunden haben sie eher das Auftreten einer Haut-Hyperplasie oder Dysplasiecharakter (gesteigerte Zellteilung oder Fehlbildung), sind also nicht bösartig und bilden sich oft spontan zurück.
In einer aktuellen Veröffentlichung wurde die Frage untersucht, wie es um die lokale Rezidivierung von Mastzelltumoren in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung bestellt ist. Dabei wurde festgestellt, dass es bei high-grade eingestuften Mastzelltumoren vermehrt zum Wiederauftreten der Erkrankung kommt: High-grade-Tumore rezidivierten wie erwartet mit höherer Wahrscheinlichkeit als Low-grade (35.9% versus 3.9 %). Es gab aber keine Verbindung zwischen den histologisch freien Rändern und den Lokalrezidiven.
Die überwiegende Anzahl an Mastzelltumoren wird auf der Haut oder auf mukokutanen Übergängen gefunden. Eine Untersuchung nur auf der Mundschleimhaut befindlicher Mastzelltumoren haben 2016 Elliott et al. vorgelegt. Dabei fanden sie bei 55 % der untersuchten Hunde bereits Lymphknotenmetastasen.
Nach unserer Erfahrung beugt die immunologische Behandlung mit dendritischen Zellen zuverlässig der Rezidivierung sowohl bei low- wie high-grade erkrankten Tieren vor.
Auswahl einiger Inhaltsstoffe der Mastzellgranula und ihre Wirkungen
Wirkstoff (Mediator) | Physiologische/pathophysiologische Effekte |
---|---|
Biogene Amine
Histamin Serotonin |
Gefäßerweiterung und dadurch Blutdruckabfall, Gefäßdurchlässigkeit steigt, Durchfall, Gefäßneubildung, Zellteilung Gefäßengstellung und dadurch Blutdruckanstieg, Schmerz |
Enzyme
Tryptase Chymase Peroxidase Phospholipasen Matrixmetalloproteinasen |
Entzündung, Schmerz, Gewebeabbau Gewebeabbau, Schmerz, Angiotensin II Bildung und dadurch Blutdruckanstieg Bildung freier Sauerstoffradikale, dadurch Gewebeschäden Entzündung Gewebeabbau |
Proteoglycane
Heparin Chondroitinsulfat |
Angiogenese, Blutgerinnungshemmer „Gewebekleber“, antientzündlich |
Chemokine | Anlocken von Entzündungszellen |
Polypeptide
Substanz P CRH Urocortin VIP |
Entzündung, Schmerz, Mastzellaktivierung Entzündung, Gefäßerweiterung und dadurch Blutdruckabfall Entzündung, Gefäßerweiterung und dadurch Blutdruckabfall, Mastzellaktivierung Gefäßerweiterung und dadurch Blutdruckabfall, Mastzellaktivierung |
Phospholipidabbauprodukte
Leukotriene Prostaglandine PAF |
Einwanderung von Entzündungszellen, Schmerz, Gefäßengstellung und dadurch Blutdruckanstieg Engstellung der Atemwege, Schmerz Entzündung, Gefäßerweiterung und dadurch Blutdruckabfall, Aktivierung von Blutplättchen und damit Aktivierung der Blutgerinnung |
Cytokine | Einwanderung, Vermehrung und Aktivierung von Entzündungszellen, Entzündung, Schmerz |
Wachstumsfaktoren | Vermehrung der Mastzellen und anderer Zellen inklusive Gefäßendothel und Entzündungszellen |
Gerhard J. Molderings: Mast cell function in physiology and pathophysiology. Biotrend Reviews No. 5, January 2010
Quellen:
Stephen J. Withrow, David M. Vail, Rodney L. Page: Withrow & MacEwan´s Small Animal Clinical Oncology. Fifth Edition 2013. Elsevier
E.F.Leidinger; K, Freeman; G. Kirtz; E.H. Hooijberg, K Sick: Breed related odds ratio and anatomic distribution of canine mast cell tumors in Austria, Tierärztliche Praxis 2014, 42 (K) 367-373
Donnelly, L., Mullin, C., Balko, J., Goldschmidt, M., Krick, E., Hume, C., Brown, D. C. and Sorenmo, K. (2015), Evaluation of histological grade and histologically tumour-free margins as predictors of local recurrence in completely excised canine mast cell tumours. Veterinary and Comparative Oncology, 13: 70–76.
Quellen: London CA, Thamm DH (2020): Canine Mast Cell Tumors in: Withrow & Mac Ewen’s Small Animal Clinical Oncology, 6 th Ed, St Louis, MI, 382-393
Kessler M, Gramer I (2022): Mastzelltumoren in: Kessler M Kleintieronkologie, 4. Aufl. 329 – 340
Dr. Thomas Grammel ist Tierarzt aus Osterode am Harz. Er führte die Tierklinik Dr. Grammel in zweiter Generation seit 1989. Im Jahre 2019 hat er sie an seine Schwiegertochter Marina Grammel und seinen Sohn Dr. Lukas Grammel übergeben (heute Tiergesundheitszentrum Südharz). Im Schwerpunkt betreut heute Dr. Thomas Grammel deutschlandweit Tiere mit unterschiedlichen Tumorerkrankungen. Dabei behandelt er die Tiere selber vor Ort in Osterode im TGZ Südharz, er berät deutschlandweit aber auch Kolleginnen und Kollegen sowie Patientenbesitzer zur immunologischen Behandlung mit dendritischen Zellen bei erkrankten Tieren. Wichtig ist dabei immer die partnerschaftliche Zusammenarbeit im Sinne der Vierbeiner. Dr. Grammel hat an zahlreichen Kongressen im In- und Ausland teilgenommen und seine Arbeit erfolgreich vorgestellt.