Die Erkrankung des vorderen Kreuzbandes ist die häufigste Ursache für Lahmheiten an den Hintergliedmaßen bei erwachsenen Hunden. Sie ist in der Regel das Ergebnis einer fortschreitenden Degeneration. Diese führt schließlich zu einem Riss des Bandes. Die Gründe für diese fortschreitende Degeneration sind komplex und immer noch teilweise ungeklärt. Zu den möglichen Ursachen gehören genetische, anatomische, entzündliche aber auch immunvermittelte Mechanismen. Diese Faktoren können dabei gleichzeitig auftreten.
Die genannte Degeneration geht mit einem fortschreitenden Verlust von Bandfibroblasten einher, was zu einem Zerfall der Kollagenfibrillen des Kreuzbandes führt. Zwar überwiegen genetische und anatomische Ursachen, doch spielen auch Umweltfaktoren wie Fettleibigkeit und Kastrationsstatus des betroffenen Hundes eine Rolle. Interessanterweise wurden auch immunologische Anomalien mit der spontanen Ruptur der Arthrose in Verbindung gebracht.
Studien an Hunden mit Arthrose und spontanem Kreuzbandriss haben gezeigt, dass bis zu 90 % der Hunde in ihren Seren und Synovia Antikörper gegen Kollagene vom Typ I und Typ II aufweisen. Kollagen I ist das vorherrschende Strukturprotein in Kreuzbändern, während Kollagen II im Gelenkknorpel überwiegt. Darüber hinaus enthält die Gelenkflüssigkeit von Hunden mit gerissenen Bändern B-Zellen, Immunglobulin IgG-positive Plasmazellen und zahlreiche dendritische Zellen der MHC-Klasse II+. Damit ähnelt sie den Infiltraten, die bei einer rheumatoiden Arthritis auftreten. Hundegelenke, in denen das vordere Kreuzband gerissen ist, enthalten eine erhöhte Anzahl von CD4+, CD8+ und doppelt-negativen (CD4-CD8-) T-Zellen. Ebenso weisen die Makrophagen in diesen Gelenken überwiegend einen aktivierten M1-Phänotyp auf, während gesunde Hundegelenke hauptsächlich M2-Makrophagen enthalten.
Ablauf der Kreuzbanddegeneration bei Hunden
Ein Kreuzbandriss ist jedoch abschliessend der Endpunkt der Erkrankung. Deshalb muss darüber nachgedacht werden, ob die vorgefundenen Autoantikörper, Lymphozyten und Makrophagen die Ursache oder aber die Folge eines Kreuzbandrisses sind. In der Gelenkflüssigkeitflüssigkeit nach einem Kreuzbandriss (sekundär zu Arthrose) finden sich Autoantikörper sowohl gegen Typ-I- als auch Typ-II-Kollagen. Diese sind meist in Form von Immunkomplexen gebunden. Ihr Vorhandensein ist wahrscheinlich eine Folge der Gewebeschädigung, denn in einer prospektiven Studie gab es keinen Hinweis darauf, dass die Entwicklung von Antikörpern gegen Typ-I-Kollagen einer Kreuzbandruptur vorausging.
Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Antikörper gegen Kollagen allein eine Bandschädigung verursachen können. Daher wurden bei Hunden mit einer einseitigen Ruptur die Titer der Kollagen- Antikörper in der Gelenkflüssigkeit gemessen. Einige dieser Hunde entwickelten schließlich eine Ruptur des Kreuzbandes des anderen Knies. Diese war jedoch nicht mit dem Vorhandensein von Antikörpern gegen Kollagen I korreliert war. Die Interleukin-IL8-Spiegel in den Gelenken steigen vor einer Kreuzbandruptur an. Daraus kann geschlossen werden, dass die Entzündung der Kruezbandruptur vorausgeht. Es wird daher angenommen, dass eine frühzeitige Schädigung des Kreuzbandes zur Freisetzung von Kollagen I in das Gelenk führt. Dieses Kollagen ist antigen und löst daher eine B-Zell-Reaktion und die Produktion von Antikollagen-Antikörpern aus. Diese wiederum bilden Immunkomplexe, die zu einer lokalen Entzündung führen. Die beteiligten Immunkomplexe können dann zu einer weiteren Degeneration der Kreuzbänder beitragen.
Quelle: Tizard IR (2023) Cruciate Ligament Rupture in: Autoimmune Diseases in Domestic Animals, Elsevier, St. Louis, MI, 223/224