Autoimmunkrankheiten können auch die Fortpflanzungsorgane von Tieren angreifen und zerstören. Ein Grund dafür ist, dass sich die Fortpflanzungsgewebe, insbesondere die Hoden und Eierstöcke, nicht bei der Geburt entwickeln, wenn die zentralen Toleranzwege am aktivsten sind. Die Keimdrüsen entwickeln sich erst viel später unter den hormonellen Einflüssen der Pubertät.
Dies ist lange nach der Etablierung der zentralen Toleranz, also des Vorhandenseins einer sogenannten Negativselektion, die zum Beispiel eine induzierte Apoptose oder Anergie in Knochenmark und Thymusdrüse beinhaltet. Dieser Zeitpunkt fällt mit der Verkleinerung der Thymusdrüse zusammen. Daher müssen sich die Fortpflanzungsorgane zum Schutz vor Immunangriffen ausschließlich auf periphere Toleranzmechanismen oder ein Immunprivileg verlassen.
Primäre Autoimmun-Orchitis
Hunde können eine primäre Autoimmunorchitis entwickeln. Bei diesen Tieren sind die Hoden meist klein und weich. Die Tiere weisen einen fortschreitenden Rückgang der Gesamtspermienzahl auf. Nach wenigen Monaten werden keine Spermien mehr produziert ( Azoospermie). Die histologische Untersuchung zeigt eine lymphozytäre Orchitis und Fibrose mit gestörter Spermatogenese, also Spermienbildung. Es kann zu lokalen Zellansammlungen von Monozyten im interstitiellen und intratubulären mononukleären Raum kommen. Weiter finden sich eine tubuläre Degeneration, Keimzellapoptose und eine Verstopfung der Samenkanäle. Eine autoimmune Orchitis kann mit anderen systemischen Autoimmunkrankheiten wie einer IgG4-Vaskulitis einhergehen. Bei Hengsten und Bullen (und Männern) können Antisperma-Autoantikörper mit einer verminderten Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit in Verbindung gebracht werden.
Autoallergie
Der Begriff Autoallergie beschreibt eine Autoimmunreaktion, die zu einer Überempfindlichkeit vom Typ I führt. Beim Menschen gibt es Beispiele für diese Erkrankung, bei denen Autoantikörper der IgE-Klasse oder selbstreaktive T-Zellen zur atopischen Dermatitis beitragen können. Patienten können eine chronische spontane Urtikaria entwickeln, indem sie IgG-Autoantikörper bilden, die entweder gegen IgE selbst oder gegen den Mastzell-IgE-Rezeptor FceR1 gerichtet sind. Wenn diese Autoantikörper binden, vernetzen sie die Zelloberflächenrezeptoren und lösen so die Degranulation von Mastzellen und Basophilen aus. Dies führt zur Freisetzung von Mastzellmediatoren, insbesondere Histamin, und zur Entwicklung einer schweren Urtikaria. Ebenso können Autoantikörper der IgE-Klasse bei Krankheiten wie dem bullösen Pemphigoid, dem systemischen Lupus erythematodes und der lymphozytären Thyreoiditis gebildet werden.
Genauso ist eine Autoimmunreaktion gegenüber Hormonen oder auch Milchproteinen bekannt.
Autoimmune Empfängnisverhütung
Unter bestimmten Umständen ist es wünschenswert, die Größe von Tierpopulationen zu reduzieren, ohne einzelne Tiere zu töten. Dies kann durch eine Fruchtbarkeitskontrolle erreicht werden. Die empfängnisverhütende Impfung ist eine Technik, die dies ermöglichen kann. Sie ist leicht zu verabreichen, kostengünstig und bei mehreren Tierarten wirksam. Die Tötung eines Tieres st irreversibel, die Impfung hingegen nicht. Diese Methode der Empfängnisverhütung beruht auf der Auslösung einer Autoimmunreaktion in einem Empfängertier.
Quelle: Tizard IR (2023): Autoimmune Reproductive Diseases in: Autoimmune Diseases in Domestic Animals, Elsevier, St. Louis, MI, 109-116