Viele Nahrungsmittelüberempfindlichkeiten sind beim Menschen bekannt und in ihrer Krankheitsentstehung gut beschrieben. Auch bei unseren Haustieren werden sie häufig gefunden. Sie umfassen mehrere verschiedene Syndrome, von denen eines der wichtigsten die gluteninduzierte Enteropathie (die sogenannte Zöliakie) ist. Diese Darmerkrankung ist durch eine chronische Entzündung des Dünndarms gekennzeichnet.
Ursache der Zöliakie
Infolgedessen kommt es bei den Betroffenen zu einer B-Zell- und zytotoxischen T-Zell-Reaktion, die Epithelzellen des Darmes angreift und zerstört. Gluten enthält zwei Hauptproteine, Glutenin und Gliadin. Es ist das Gliadin, das die Krankheitssymptome verursacht. Gliadin ist ein prolinreiches Protein, das gegen die Verdauung im Darm resistent ist. Wenn die Darmepithelzellen mit Gliadin in Berührung kommen, produzieren sie Zonulin. Zonulin ist ein Protein, das die Durchlässigkeit der Darmschranke erhöht. Es reagiert dabei mit den sogenannten Tight Junctions. Deren Eigenschaft ist das Verschließen des Raums zwischen den Epithelzellen. Sie verhindern normalerweise den unkontrollierten Substanzübertritt zwischen den Zellen aus dem Darm. Durch das Zonulin erhöht nun die Durchlässigkeit des Darms. Auch Makromoleküle können in die Submukosa eindringen. Nach der Aufnahme in die Darmwand lösen die intakten Gliadinmoleküle eine angeborene Immunantwort aus, die die Durchlässigkeit der Darmepithelbarriere erhöht. Infolgedessen erhält das Gliadin Zugang zu Schichten unter dem Epithel, der sogenannten Lamina propria. Da das Gliadin nicht verdaut wird, kann es auch eine Antikörperreaktion auslösen. Die reagierenden B-Zellen bilden nicht nur gegen Gliadin gerichtete IgA- und IgG-Antikörper, sondern versehentlich auch Antikörper gegen ein intestinales Enzym, die Transglutaminase 2. Es kommt zu einer Kompexbildung von Transglutaminase mit dem Gliadin. Diese Immunreaktion und der daraus resultierende Angriff auf die Transglutaminase führt zur Aktivierung von zytotoxischen T-Zellen. Dies wiederum führt zu einem Verlust der extrazellulären Matrix und zur Zerstörung der Darmepithelzellen. Somit weist die Glutensensitivität Merkmale sowohl einer Nahrungsmittelallergie als auch einer Autoimmunerkrankung auf. Die Entzündungsreaktion wird immer heftiger und führt schließlich zu einer Atrophie der Darmzotten. Im Gegensatz zu typischen Allergien können die Symptome der Gluten-Enteropathie erst Stunden bis Wochen nach der Aufnahme des betreffenden Lebensmittels auftreten. Die Diagnose ist oft schwierig, da es keine gut nutzbaren diagnostischen Tests gibt.
Genetische Disposition bei Irish Settern
Die gluteninduzierte Enteropathie ist ein vererbbares Merkmal bei einigen Irish Settern. Es handelt sich um eine autosomal rezessive Krankheit, die von einem einzigen Genort kontrolliert wird. Betroffene Tiere zeigen in der Regel Erbrechen, Dehydratation, abnorme oder blutige Stühle und lang anhaltenden Durchfall. Zu den pathologischen Veränderungen gehören eine partielle Zottenatrophie im Jejunum und eine erhöhte intestinale Permeabilität. Dies führt zu Appetitlosigkeit, schlechtem Wachstum und Gewichtsverlust. Die Krankheit kann durch strikte Vermeidung des schädlichen Glutens in den Griff bekommen werden.
Dyskinesie beim Border Terrier
Glutenexposition wird auch mit paroxysmaler glutensensitiver Dyskinesie bei Border Terriern in Verbindung gebracht. Betroffene Hunde zeigen neurologische Anzeichen wie Schwierigkeiten beim Gehen, Zittern und unwillkürlich Muskelkontraktionen der Gliedmaßen, des Kopfes und des Halses. Weiterhin kann es Anzeichen von Juckreiz wie Kratzen oder Belecken der Haut geben. Das Vorhandensein von Autoantikörpern gegen Transglutaminase 2 und Antigliadin-Antikörpern ist bekannt bei der Erkrankung. Darüber hinaus werden Magen-Darm-Erkrankungen wie Erbrechen, Durchfall und Bauchkrämpfe beschrieben. Bei einigen Hunden treten nur einige wenige vorübergehende Episoden auf, während andere lebenslang unter wiederkehrenden Erkrankungen leiden können.
Von der Gluten-induzierten Enteropathie betroffen Hunde müssen auf eine glutenfreie Ernährung umgestellt werden. Eine immunologische Behandlung sollte geprüft werden.
Quelle: Tizard IR (2023) Gluten-Induced Enteropathy in: Autoimmune Diseases in Domestic Animals, Elsevier, St. Louis, MI, 242/243