Polyneuritis des Pferdes – POLYNEURITIS EQUI

Die Polyneuritis equi (Neuritis der Cauda equina) ist ein seltenes Krankheitssyndrom, das die kranialen, sakralen und coccygealen Nerven betrifft. Betroffene Pferde zeigen eine Hyperästhesie, gefolgt von einer fortschreitenden Lähmung von Schwanz, Rektum und Blase.

Symptome der Polyneuritis des Pferdes

Der Gefühlsverlust in der Hautzone im Beckenbereich kann von einer Hyperästhesie der umgebenden Haut begleitet sein. Leider: In etwa 80 % der Fälle befällt die Krankheit auch die Hirnnerven. Sie greift vor allem den Vagusnerv an und verursacht dadurch eine Dysphonie, also eine Beeinträchtigung der Stimmbildung. Dies geht auch mit Gesichts- und Trigeminuslähmungen einher. Während die Nerven im Lenden- und Kreuzbeinbereich in der Regel beidseitig betroffen sind, sind die Hirnnerven oft nur einseitig betroffen. Die Hirnnervenprobleme gehen häufig der Entwicklung der sakralen Läsionen – also Veränderungen im Kreuzbeingebiet – voraus.

Krankheitsveränderungen und Ursachen der Pferdepolyneuritis

Die befallenen Nerven sind verdickt und verfärbt. Die frühen Läsionen sind durch eine Infiltration mit Lymphozyten, vielkernigen Riesenzellen und Plasmazellen gekennzeichnet. Die vorherrschenden Lymphozyten im Infiltrat sind CD8+ zytotoxische T-Zellen mit einigen B-Zellen und Plasmazellen. Diese werden allmählich durch reichlich Neutrophile Granulozyten und Makrophagen ersetzt. Die betroffenen Nerven entwickeln eine Demyelinisierung der Sacrococcygeal- und Lumbosacralnervenwurzeln. In den betroffenen Nerven finden sich perineurale Fibrose und perivaskuläre Lymphozytenmanschetten mit Einblutungen. Es sind Bereiche mit Demyelinisierung, aber auch Remyelinisierung vorhanden. Es kommt zu einem Verlust von myelinisierten Axonen; in schweren Fällen können die Nervenstämme fast vollständig zerstört sein. Betroffene Pferde entwickeln Autoantikörper gegen ein peripheres Myelinprotein namens P2.

Die Ursache der Polyneuritis equi ist unbekannt. Wahrscheinlich wird sie infolge einer Infektion und der darauf nachfolgenden immunologischen Reaktionen ausgelöst. Als Ursache kann eine Infektion mit Campylobacter, das equine Adenovirus 1 und das equine Herpesvirus 1 angenommen werden.  weiterer möglicher Erreger ist Sarcocystis neurona. Interessanterweise bilden Pferde, bei denen eine durch Protozoale verursachte Myeloenzephalitis diagnostiziert wurde, auch Autoantikörper gegen P2. Sie scheinen eine gemeinsame antigene Determinante zu haben; daher könnte die Polyneuritis auf ein molekulares Zusammenspiel zwischen Sarcocytis neurona und dem körpereigenen Myelin zurückzuführen sein.

Klinische Erkrankung

Die autoimmun bedingte Polyneuritis ist bei erwachsenen Pferden vieler Rassen aufgetreten. Sie äußert sich in einer langsam fortschreitenden Lähmung von Schwanz, Rektum, Anus und Blase. Eine Schwäche der Hinterbeine und Ataxie entwickeln sich schrittweise. Dies kann zu einer Harnverhaltung, aber auch zu Hyperästhesie und Muskelzucken der Hintergliedmaßen, führen. Es kann zu einer Muskelatrophie kommen, die jedoch unterschiedlich ausgeprägt ist. Wenn Hirnnerven betroffen sind, sind die Läsionen oft nur einseitig vorhanden. Im Allgemeinen sind die Hirnnerven V, VII und VIII betroffen. Dies kann sich in einer Gesichtsmuskellähmung, Kopfneigung, Nystagmus, Zungenlähmung und Dysphagie äußern.

Diagnose und Behandlung

Die Diagnose der Polyneuritis basiert auf den klinischen Symptomen, der Anamnese und dem Ausschluss anderer Möglichkeiten. Betroffene Pferde weisen zwar Autoantikörper gegen P2-Myelinprotein auf, dieser Test ist jedoch nicht normal im Labor durchführbar. Deshalb muss aus den klinischen Symptomen rückgeschlossen werden. Die Untersuchung des Blutserums kann Hinweise auf eine chronische Entzündung zeigen, wie z. B. erhöhte Werte des C-reaktiven Proteins (CRP). Diese CRP-Werte sind zwar nicht spezifisch, können aber bei der Beobachtung des Krankheitsverlaufs hilfreich sein. Die Analyse der Rückmarksflüssigkeit kann eine Xanthochromie und erhöhte Protein- und Zellzahlen (sogenannte neutrophile Pleozytose) zeigen.

Behandlung der Polyneuritis des Pferdes

Die palliative Behandlung umfasst die Behandlung der Blasenentzündung, der Harn- und Stuhlinkontinenz und der Harnverbrühung. Bei schwerer Dysphagie kann eine Sondenfütterung erforderlich sein. Aufgrund der schweren Nervenschädigung ist eine immunsuppressive oder entzündungshemmende Therapie nur selten erfolgreich. Die Krankheit schreitet fort, und die Prognose ist schlecht. Aus tierschützlerischen Gründen sollte bei relative klarer Diagnose die Behandlung nicht fortgeführt werden.

Quelle: Tizard IR (2023):Polyneuritis equi in: : Autoimmune Diseases in Domestic Animals, Elsevier, St. Louis, MI, 78-80

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